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FESTLEGEN/UMREIßEN/ANDEUTEN/HERVORRUFEN. Analytisches zu den Textkompositionen Stockhausens.

von Carl Bergstrøm-Nielsen, Aalborg Universität, Dänemark.

Dieser Artikel wurde zuerst in MusikTexte 71, November 97, gedruckt. Sie ist eine gekürzte Fassung eines längeren Artikels in dänischer Sprache, der sich hier im IIMA unter dem Titel "Sprog som musikalsk notation" befindet.

EINLEITUNG

Erfreulich, ein Artikel in MusikTexte zu sehen, das die wichtige improvisatorische Seite der neuen Musik behandelt. "plus minus gleich" im Heft 67/68 von Hermann-Christoph Müller enthält eine gründliche Einführung und Betrachtung von der Komposition Karlheinz Stockhausens "Prozession".

Über die Sammlungen "Aus den sieben Tagen" und "Für kommende Zeiten" (1968, UE und 1970, Stockhausen-Verlag - im Folgenden Ad7T und FKZ), auch von Stockhausen, meint der Autor im Vergleich, daß sie "eher eine psycho-physische Disposition zum Musizieren suggerieren als eine klare musikalische Vorstellung". Seit den siebziger Jahren bin ich als Musiker mit diesen Sammlungen intensiv vertraut. In der Gruppe für Intuitive Musik, meistens aus 3-4 Mitglieder bestehend, spielten (und spielen) wir seit 1975 die Textkompositionen Stockhausens und eigne Stücke, die auch oft untraditionell oder gemischt notiert waren. In Deutschland bei den 6. Tagen für Neue Musik in Weimar 1993, mit dem Thema: "Intuitive Musik - mehr als Improvisation?". Auch leite ich seit 1983 regelmäßig Kursen der improvisation. Der generaliserender Satz von Müller möchte ich entgegentreten. Anhand von Beispielen will ich zeigen, daß es sich hier keineswegs um ein entweder-oder handelt, sondern um eine vielseitige Dialektik.

Das Wort "eher" bei Müller könnte noch auf Vorsicht gegen die Generalisierung deuten. Die Formulierung liegt aber dennoch gefährlich nahe an dem verbreiteten Mißverständnis, die Texte sind nur in einem vagen, poetischen Sinne zu verstehen, nicht Aufführungsanweisungen im üblichen Sinne vergleichbar. Auch Sutherland, ein Autor, der sonst Improvisation und neue Notationen differenziert behandelt, beschreibt in einem Kapitel über Stockhausen die Anweisungen der Stücke bloß als "deliberately vague or enigmatic)". Harald Bojé warnt gegen das Mißverständnis: "Der Interpret, der glaubt, hier endlich einmal seine eigene Welt ausleben zu dürfen, ohne auf präzise Anweisungen eines Komponisten Rücksicht nehmen zu müssen, irrt sich". Brindle meint, es findet sich sowohl "deliberately and fanatically impracticable" Stücke als jene, die "reasonably enough" sind. Er läßt aber die Bestrebungen Stockhausens zur Wort kommen, indem er dies mit zwei sehr verschiedenen Beispielen illustriert. Außerdem ist ihm klar, daß die Texte Anweisungen ganz verschiedener Art enthalten: was ein solches Stück ausmacht, sei "a verse or text which suggests a mood the players must create, a manner of playing, a certain kind of musical action, combinations of these, etc."

 

FESTLEGEN

Übereinstimmung (aus FKZ) beginnt: "Spiele und/oder singe / extrem lange leise Klänge / und / extrem kurze laute Klänge." Das ist wohl eine klare Materialbestimmung, oder wie? Noch zwei weitere Stücke in FKZ thematisieren das extrem kurze oder lange als ausschließliches Material. Richtige Dauern, das zuallererst komponierte aus AD7T, thematisiert die Länge von Einzeltönen: "Spiele einen ton. / Spiele ihn so lange / bis du spürst / daß du aufhören sollst". Daraus kann eine sehr sensible Längenmusik resultieren, wie in der seriellen Musik in den fünfziger Jahren von starren Metren befreit, hier jedoch unmittelbarer und sprachähnlicher, weil im Moment ohne Papier auskomponiert. Darin habe ich viele Gruppen von Studenten instruiert, und wenn auch selbstverständlich mit Unterschieden von Gruppe zu Gruppe ist das klangliche Resultat doch jedes Mal ganz deutlich als eine Version vom selben Stück zu erkennen. Setz die Segel zur Sonne (Ad7T - siehe Zitat unten) wird von langen Tönen und langsamen Intonations-Bewegungen geprägt. In Kommunikation (FKZ) findet sich Kategorien wie: "so leise, ruhig und lang wie möglich", "mittellaut, etwas bewegt und mittellang" und "so laut, erregt und kurz wie möglich". Die Aktivität wird mittels denen stilisiert, und jede Kategorie hat eine Signalfunktion im Stück. Explizit in vielen Stücken (elf, insgesamt) geht die Instruktion vom Einzelton oder Einzelklang aus. - Auch zu den konkreten Abläufen finden sich ganz konkrete Anweisungen. In Wach (FKZ) heißt es zuletzt: "jäher Schluß" - eine relevante Herausforderung zur Gewohnheit, improvisierte Stücke klingen sehr oft ganz allmählich aus. Und im Intervall (FKZ) kann man von einem Formschema sprechen: zwei Einzeltöne allmählich zu zwei zehn-tönigen Akkorden aufbauen, danach zu zwei Tönen wieder abbauen.

 

 

VERSCHIEDENE FORMEN DES UMREIßEN

Eine weitere Kategorie ist nun die, welche spezifische musikalische Vorstellungen beschreiben, die aber eine gewisse Interpretation von Seiten der Musiker bedürfen. In den folgenden Beispielen sind musikalische Sachverhalte metaphorish-sachlich umgerissen: "Singe/spiele möglichst parallel mit den anderen" aus Zugvogel (FKZ). Das würde ich interpretieren als etwa: Stimmen relativ selbständig, relativ ständiges Spiel ohne viel Pause, sich von den Bewegungen der anderen inspirieren lassen. "Setze jeden Ton / auf den Kopf eines anderen Tones" aus Vorahnung (FKZ) - "Breche durch den Ton eines anderen" aus Ausserhalb (FKZ) - "Dringe in den Ton eines anderen" aus Innerhalb (FKZ) - "Zerteile den Klang eines anderen..." aus Spektren (FKZ). Die vier letztgenannten können als Modelle für Kontrastbildungen und Verschmelzungen im Verlauf eines veränderlichen, von zwei Spielern geschaffenen Klanges verstanden werden. Und worum geht es in Setz die Segel zur Sonne (Ad7T) -? "Spiele einen Ton so lange / bis du seine einzelnen Schwingungen hörst. // Halte ihn / und höre auf die töne der anderen / - auf alle zugleich, nicht auf einzelne - / und bewege langsam Deinen Ton / bis du vollkommene Harmonie erreichst / und der ganze Klang zu Gold / zu reinem, ruhig leuchtendem Feuer Wird". In meiner Erfahrung geht es einfach um die Intonation. Intonation wäre ein improvisations-theoretisch gesehen vielleicht interessanter Begriff, übrigens. Das kann nämlich nur im Teamwork von den Musikern geschaffen werden als ein kollektives Ganzes, kann vom Komponisten nur als einen bestimmten Charakter, das angestrebet werden soll, jedoch kaum mechanisch-exakt vorgeschrieben werden. Ob "wie Gold" oder auch wie andere interessante Qualitäten!

Hiermit gelangen wir zu den metaphorischen Beschreibungen, die allgemeiner poetischer natur sind. Weitere Beispiele sind "Fliege davon" (Zugvogel - FKZ) - "nächtlicher Wald / mit Dialogen" (Wach - FKZ) - "bis alle [Töne] ... // ... zu brennen anfangen". Unterschiedliche Interpretationen sind möglich, doch mit einer guten Chance für Einigung über etwas Characteristisches unter den Musikern würde ich doch rechnen. Hier, wie auch sonst, kann man sich ja in der Praxis ein Stück mehrmals probieren, vielleicht mit einem gemeinsamen Gespräch dazwischen und die Interpretationen gewissermaßen so vielleicht zusammen "intonieren".

Einen Unterschied zu den metaphorischen Betrachtungen weisen Verlaufsmodelle auf, die Unvorhersehbarkeit erzeugen. Oft sonst entsteht die Unvorhersehbarkeit durch Heterophonie - das Stück beschreibt eine Stimme, deren Elemente in verschiedenen Augmentationen und Diminutionen in den Stimmen auftreten. So Treffpunkt (Ad7T): "Alle spielen denselben Ton / Führe den Ton, wohin deine Gedanken dich auch führen / Verlasse ihn nicht, bleibe bei ihm / Komme immer wieder / zum gleichen ort zurück." Deutlich hörbar wird hier das verlassen und zurückkommen zum vereinbarten Ton. Wie aber das komplexe Muster von diesen Bewegungen ausfällt, ist nicht im Voraus bestimmt. Etwas Ähnliches gilt für Richtige Dauern (siehe oben). In Übereinstimmung (FKZ) ist die Anweisung für den Verlauf von besonderer Art: "Versuche, immer mehr Klangeinsätze / mit den anderen SYNCHRON / zu spielen/singen / ohne optische Zeichen". Konkret ist das vielleicht unmöglich. Die Versuche erzeugen aber eine besondere Intensität und eine Folge von Ballungen und relative Entspannungen. Trotz der knappen Formulierung, ein Stück mit starker identität. Es klingt für meinen Ohren (auch mit verschiedenen Gruppen) immer "ausgesprochen expressionistisch".

 

FESTGELEGT UND UMGERISSEN

Schwingung (FKZ) sei hier zitiert als ein avanziertes Beispiel für eine vielschichtige Musik:

Alle zusammen - alle getrennt

Alle zusammen - alle getrennt

und so weiter: langsam beschleunigen (dreimal verweilen)

- schnell -

weiter beschleunigen

bis

verschmolzen

 

Jetzt ist aber nur die erste Stufe erreicht - der Prozeß soll weitergehen als wäre es im zweiten Potenz - :

verschmolzen:

alle zusammen - alle getrennt

alle zusammen - alle getrennt

und

so

weiter

 

Ein in meiner Erfahrung buchstäblich schwindelerregendes Stück zu spielen, und doch sind alle Beschreibungen recht konkret. Der Verlauf muß synchronisiert werden, und "zusammen-getrennt" gehören zu den nicht allzuschwer verständlichen Charakteristika eines Klangbildes. Das Ausführen dieses Wechsels fordert aber zu einer kollektiven Virtousität heraus! Noch ist keine poetisch/metaphorische Rede von den Makro- und Mikrodimensionen des Kosmos, aber...

 

ANDEUTEN

Eine Reihe von fünf Stücken (in Ad7T) über Begriffe aus den Makro- und Mikrodimensionen des Kosmos gibt es doch auch. Hier ist wirklich die Imagination der Musiker gefragt, um z.B. die Elemente im Folgenden aus Abwärts in musikalische Gestalten umzusetzen:

Spiele eine Schwingung im Rhythmus Deiner Glieder

Spiele eine Schwingung im Rhythmus Deiner Zellen

Spiele eine Schwingung im Rhythmus Deiner Moleküle

Spiele eine Schwingung im Rhythmus Deiner Atome

Spiele eine Schwingung im Rhythmus Deiner kleinsten Bestandteile

zu denen Dein inneres Ohr noch reicht

Bei all diesen Stücken steht der serielle Kontinuum-Gedanke als ordnendes Prinzip, was die Aufgabe des Interpreten vielleicht vereinfachen kann. "Alles Separate zunächst in ein möglichst bruchloses Kontinuum einzuordnen; und dann die Verschiedenheiten aus diesem Kontinuum herauszuarbeiten und zu komponieren" (Stockhausen, 1959). Die Interpreten sowohl als diejenige Hörer, die den Text sehen, bekommen eine innere "Landkarte", worin die unterschiedliche "Landschaftsformen" einen gemeinsamen Nenner haben - vergleichbar z.B. die Höhenlagen der Landschaften.

Stockhausen berichtet, wie der "Rhythmus Deines Denkens" einmal konkretisiert wurde: als Vorübung Augen schließen und mit einem Bleistift auf dem Tisch tappen, jedes Mal ein Wechseln der Gedanken passierte. Mit so etwas, was in diesem Spezialfall zu einer regelrechten Vorübung wurde, berühren wir schon das nächste, nämlich:

 

 

HERVORRUFEN

Schließlich gibt es tatsächlich Anweisungen für Vorbereitungen, die meditative Dispositionen zum Musizieren schaffen oder suggerieren wollen. Angesichts der großen Kontroversen, die dadurch in Deutschland entzündet wurden, ist vor allem wichtig festzustellen, wie verschieden diese Stücke sind. Goldstaub (Ad7T) ist wohl ohne Diskussion das extremste - man darf es nur aufführen, wenn man zuvor vier Tage allein ohne Speise gelebt hat. Viel zugänglicher ist Ankunft (Ad7T) - eine Imagination von Energie im eigenen Körper, die nicht sehr unähnlich denen aus gewöhnlicher Yoga-Praxis ist, wie sie für den täglichen Gebrauch auf Yogaschulen überall gelehrt wird. Eine andere Meditation, die aus den Vielfalt der Gedanken suchen und die innere Stille abwartet, leitet das Stück ES (Ad7T) ein und setzt sich während dem Stück fort. Eine ganz einfache, aber potentiell musikalisch sehr effektive Imagination, auf der Grenze zu den allgemein-poetischen Beschreibungen, findet sich in Unbegrenzt (Ad7T): "Spiele einen Ton / mit der Gewißheit / daß du beliebig viel Zeit und Raum hast". Damit verwandt ist Intensität (Ad7T): "Spiele einzelne Töne / so hingegeben / daß du die Wärme spürst / die von Dir ausstrahlst...". Die Zielgruppen der Meditations-ausüber umfassen also im ersten Falle nur besondere Waagehalse, im zweiten schon alle, die in der Yoga-Meditation etwas forgeschritten sind oder dazu aspirieren, und die zwei letzte Stücke sind auch gar für Ungeübte geeignet!

 

KLINGENDE IDENTITÄT DER STÜCKE

Einige Stücke, z.B. Richtige Dauern und Übereinstimmung, klingen von Aufführung zu Aufführung und von Gruppe zu Gruppe im relativ hohen Grade wiedererkennbar. Das braucht nicht mit allen Stücken der Fall zu sein. Einen dialektischen Blickwinkel hier ergibt sich aus der Betrachtung Hugh Davies. Er führt nämlich u.A. an, über Intensität, daß das Stück wenigstens viel anderes als eine ganz freie Improvisation ohne Vorlage klingen wird. In dem Falle funktioniert es also als strukturelle Vorlage, ähnlich wie Komponisten mit inneren Strukturen im Werke arbeiten, die nicht unmittalbar erkennbar für den Hörer sind. Das ist aber ein Extrem. Selbst ein Stück wie ES, das vielleicht zu 40% "festgelegt" ist (durch die Vorschrift von Pausen), zu 60% aber "hervorgerufen" wird in scheinbar völlig unvorhersehbarer Weise, hat laut Stockhausen (In "Fragen und Antworten..") eine ganz charakterische klangliche Identität, von plötzlichen Aktionen - was ich persöhnlich nur bestätigen kann.

 

KONKLUSION

Es treten also in Ad7T + FKZ etliche Arten von Anweisungen auf, die sich auch kombinieren lassen und die in ein Kontinuum eingeordnet werden können:

1) Anweisungen, die musikalische Phänomene und Verläufe in ganz konkreter Terminologie beschreiben.

z.B.:

"extrem lange, leise Klänge"

"jäher Schluß"


2) Anweisungen, die musikalische Phänomene im Umriß bezeichnen:

- metaphorisch-sachlich, z.B.: "Spiele/singe möglichst parallel mit den anderen"

- metaphorisch - allgemein poetisch, z.B.: "nächtlicher Wald mit Dialogen"

- Verlaufsmodelle, die zwar einen statistischen Charakter bestimmen, die aber auch Unvorhersehbarkeit erzeugen, z.B.: "Versuche, mehr und mehr Klangeinsätze SYNCHRON mit den anderen zu spielen"

3) Anweisungen, die musikalische Phänomene andeuten, die aber einen großen Raum für individuell verschiedene Interpretationen offenlassen,

z.B.: "Spiele eine Schwingung im Rhythmus Deiner Atome"

4) Anweisungen, die eine Disposition zum Spielen suggerieren oder schaffen wollen.

z.B.: "Spiele einzelne Töne so hingegeben, daß du die Wärme spürst die von Dir ausstrahlst"

Wie Maconie sagt, die musikalischen Gedanken in FKZ "by and large...take on a more practical turn", compared to Ad7T. Obwohl kein scharfer Übergang existiert, gibt es hier etwas mehr vom Festlegen, während die "kosmische" und denen, die mit Meditation zu tun haben einen auffallenden Teil von Ad7T ausmachen. Historisch kam aber FKZ später und ist vielleicht noch weniger bekannt.

Einer der Gründe dafür, daß Ad7T und FKZ sehr brauchbare Beiträge zum Repertoire einer neuen Aufführungspraxis sind, besteht darin, daß sie von einem Komponisten geschaffen wurden, dem exakte Arbeit mit den musikalischen Parametern vertraut war. Wer als Musiker sucht, kann sich hier Stücke von einem gerade passenden Grad von Freiheit oder Gebundenheit, von Meditation oder Konkretheit auswählen.

 

AUSBLICK

Das wirklich neue an der neuen Musik wäre eine Aufführungspraxis, die die mögliche Vielfalt im musikalischen Zusammenspiel nicht mehr negiert. Durch gleichberechtiges Teamwork des Komponisten mit den Musikern bekommen die Musiker sowie die Hörer nicht nur mehr Spaß, sondern auch mehr Erkenntnis. Denkt jemand hier kritisch an die vielbesprochene Rolle Stockhausens als Bearbeiter bei einigen Aufführungen und Aufnahmen mit Filter und Regler, dann ist zu sagen, daß dieses Sachverhalt bei Aufführungen durch andere Gruppen ja völlig irrelevant ist. Lockern wir die Herrschaft des Notentexts. Und genießen wir, Musiker als Hörer, die größere Nähe zum schaffenden Prozeß, die Poly- und Heterophonie als Prozeß statt Satzart, sowie die "Fülle nichtkodifizierter Klänge" (Ausdruck von Hermann-Christoph Müller) und lernen wir diese Dinge allmählich sachgemäß zu be- oder umschreiben. Daß die einzige Form des Musizieren eine Reproduktion wie zu Zeiten von Papa Haydn sein sollte, läßt sich ethisch auch nicht mehr rechtfertigen. Wie es bei Autoren wie Bailey, Brindle und Sutherland (obwohl beim letztgenannten nur teilweise, siehe oben) geschiet, sollten die viele Bestrebungen für etwas Anderes endlich mal auch in der generellen Musikforschung sein Recht widerfahren gelassen werden.

 

LITERATUR:

Bailey, Derek: "The composer - in practice" (1), Improvisation. Its Nature and practice in Music, S. 70-74. Dorchester (The Brit. Libr. Nat. Sound Arch.), 1992.

Interview mit dem Musiker Anthony Pay über die Erfahung mit dem Orchesterstück Ylem in der Instruktion von Stockhausen. Berührt auch prinzipielle Aspekte des Improvisierens aus der Sicht des Musikers.

Bailey, Derek: "The composer - in question", Improvisation. Its Nature and practice in Music, S. 79-781. Dorchester (The Brit. Libr. Nat. Sound Arch.), 1992.

Enthält Kommentare von Hugh Davies zu Intensität (Ad7T). Diese Betrachtungen werden dialektisch Aussagen von Evan Parker über die Nachteile der Realisierung von Komposition überhaupt statt freies Improvisieren, gegenübergestellt.

Blumröder, Christoph von: Die Grundlegung der Musik Karlheinz Stockhausens. Stuttgart (Franz Steiner Verlag), 1993. Beihefte zum Archiv für Musikwissenschaft, Bd. XXXII.

S. 167f wird das serielle Vorgehen in einigen der Stücke von Ad7T betrachtet.

Bojé, Harald: "Aus den sieben Tagen. Textinterpretationen", Feedback Papers 16, August, 1978.

Zwölf der Stücke von Ad7T werden eingehend kommentiert mit Hinblick auf die praktische Interpretation. Bojé war Mitglied von der Gruppe Stockhausens, die mit der intuitiven Musik 1968-70 turnierte.

Brindle, Reginald Smith: The New Music: The Avant-garde since 1945. Oxford (OUP), 1975 - sec.ed. 1986.

Allgemeines Buch über Neue Musik, das trotz einer guten Portion Skepsis Themenkreise wie Improvisation und neue Notationen in vorbildlicher Weise mitbehandelt.

Brinkmann, Reinhold: "Hören und Denken. Thesen zur "intuitiven" Musik", Neue Zeitschrift für Musik Nr.9, Sept., 1974.

Marxistische Kritik, die auch ein Beispiel für die absolute Allergie gegen das Nichtrationale und Meditative ist.

Kurtz, Michael: "Aus den sieben Tagen (1968-70)", Stockhausen. Eine Bibliographie. Kassel (Bärenreiter), 1988.

Biographisches so wie über die Aufführungen dieser Zeit.

Lekfeldt, Jørgen: Sölle og Stockhausen - musikkens teologi og teologiens musik. Mit einer deutschen Zusammenfassung. Viborg (Schønberg), Dänemark, 1991.

Auf sowohl musikanalytischer als auf allgemeiner philosophischer Basis wird das Musikwerk Stockhausens mit der Theologie von Dorothee Sölle verglichen. Beide werden gedeutet als Ausdruck emanzipativer/utopischer Modernität. Ein Schlüsselbegriff bei Stockhausen sieht der Autor in der Gleichberechtigung der musikalischen Elemente - ein ästhetisches Prinzip, daß bei der Gleichberechtigung der Parameter und deren Abstufungen in der seriellen Musik anfing. In mehrdeutig notierter Musik werden auch sowohl die Musiker als die verschiedene Aufführungen gleichberechtigt.

Maconie, Robin: "Aus den sieben Tagen" + "Für Kommende Zeiten", The Works of Karlheinz Stockhausen, s.250-261. London, 1976.

Analytische Kommentare.

Stockhausen, Karlheinz: "Aus den sieben Tagen. 15 Kompositionen, Mai 1968", Texte IV, S. 108-129. Köln (DuMont), 1978.

Einführungstexte, darunter die für die Schallplatten, für zwölf der Stücke. Auch im Begleitheft (deutsche oder englische Ausgabe) zu Stockhausen-Gesamtausgabe, CD Nr.14A-G: "Texts about the recordings". Diese letzte Fassung ist eine revidierte, worin nun die 12 aufgezeichnete Stücke in ihrer Ganzheit abgedruckt sind. Daher fast eine Neuausgabe des Aufführungsmaterials.

Stockhausen, Karlheinz: "Aus den Sieben Tagen", Texte III, S. 123-125. Köln (DuMont), 1971.

Erste Einführungstext zu Ad7T. Revidierte Fassung im Beiheft (deutsche oder englische Ausgabe) zu Stockhausen-Gesamtausgabe CD 14A-G.

Stockhausen, Karlheinz: "Fragen und Antworten zur intuitiven Musik", Texte IV, s. 130-144. Köln (DuMont), 1978.

Ein sehr empfehlenswerter Text. Fragen und kritische Kommentare aus dem Auditorium werden mit Stockhausen diskutiert. Auch abgedruckt im Begleitheft (deutsch oder englisch) zu Stockhausen-Gesamtausgabe auf CD, Nr. 14A-G.

Stockhausen, Karlheinz: "Intuitive Musik", s.35-44, Towards a Cosmic Music, selected and translated by Tim Nevill. Longmead, Shaftesbury, Dorset (Element Books Ltd.), 1989.

Enthält u.A. ein Interview mit Stockhausen über intuitive Musik aus den Jahren 69 und 73.

Stockhausen, Karlheinz: "Musik und Sprache", die reihe 6, Wien (UE), cop. 1960.

Stockhausen, Karlheinz: "Intuitive Musik", Stockhausen on Music. Lectures and interviews compiled by Robert Maconie, S. 112-128. London Marion Boyars Publishers), cop, 1989.

Auszug aus einem Vortrag aus dem Jahre 1971 von Stockhausen. Zwei Beispiele werden angeführt, wie Musiker die Vorstellungen der "kosmischen" Stücken in musikalischen Gestalten konkretisiert haben.

Sutherland, Roger: New Perspectives in Music. London (Sun TavernFields), 1994.

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