Elena Fitzthum, Wien
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Summary. The Vienna Music Therapy Education views itself as psychotherapeutically oriented. Especially the subject „improvisation“ follows the tradition laid down by A. SCHMÖLZ who was for many years director of the education. Being primarily a piano teacher, his personal development made him place the subject of improvisation as well as the piano as an instrument in the foreground of the curriculum. The subject is situated at the crossing between musical craft and therapeutic relations, between teaching and self-experience and constitutes the most important basis upon which future professional identity rests. In a subsequent discussion of the concept of technique, differences between psychotherapeutic techniques, music therapeutic techniques and improvisation techniques are clarified. „Musical tuning in“ and „The musical dialogue“, specialities of Vienna music therapy, are explained.
Zusammenfassung. Die Wiener Ausbildung für Musiktherapie versteht sich als psychotherapeutisch orientiert. Das Unterrichtsfach Improvisation wurde von A. SCHMÖLZ geprägt, der über Jahrzehnte der Leiter der Ausbildung war. Ursprünglich ein Lehrer für Klavier, stellte er aufgrund seiner persönlichen Entwicklung das Fach Improvisation sowie das Klavier in den Vordergrund der Ausbildung. Die Improvisation ist an der Nahtstelle von musikalischem Handwerk und therapeutischer Beziehung, von Lehre und Selbsterfahrung angesiedelt und bildet eine wichtige Säule zukünftiger professioneller Identität. In der folgenden Diskussion geht es um Aspekte der Technik. Unterschiede zwischen psychotherapeutischen Techniken, musiktherapeutischen Techniken und Improvisationstechniken werden erörtert. In diesem Zusammenhang werden Besonderheiten der Wiener Ausbildung, die "musikalische Einstimmung" und der "musikalische Dialog" erklärt. |
Die Wiener Ausbildung durchlebte in ihrer nun 40-jährigen Existenz diverse Phasen formaler und inhaltlicher Natur ( Sonderlehrgang 59-70, Lehrgang 70-92, Kurzstudium 92-2001, ab dann Vollstudium). Als eine grundständige Ausbildung steht sie jedem 18-jährigen Menschen mit Universitätsreife und bestandener Aufnahmeprüfung offen. Der musikalisch-technische Teil der Prüfung hat ein hohes Niveau und die Drop-out-Rate dort liegt bei geschätzten 70 %. Gute Klavierkenntnisse sind selbstverständlich, die Gehörprüfung ist gefürchtet, improvisatorische Fähigkeiten werden einzeln und in Gruppe getestet. Improvisation als Unterrichtsfach Das Fach wird 4 Semester à 2 Wochenstunden in Kleingruppen unterrichtet. Der Unterrichtende ist Musiktherapeut und Komponist. Zu den Lehrinhalten gehören sowohl Musiktheorie als auch die von allen theoretischen Inhalten entkoppelte, sogenannte freie Improvisation. Historische Prägungen Die musikalischen Präferenzen des langjährigen Ausbildungsleiters (70-92) Prof. A. SCHMÖLZ sind bis dato spürbar. Er war zunächst Klavierpädagoge und durch seine Auseinandersetzung mit JACOBI (1980) motiviert, die persönlich durchlebte Auseinandersetzung mit der Schnittstelle von Pädagogik und Therapie an seinem favorisiertem Instrument Klavier weiterzugeben. Sätze wie „Sie müssen einfach alles auf dem Klavier ausdrücken können“ oder „Reden`s nit soviel, spielen`s lieber“ waren häufig zu hören. So wurde die freie Improvisation auf dem Klavier zu einem Herzstück der damaligen Ausbildung, nicht nur in Wien! Unermüdlich kämpfte er gegen einen leeren Ästhetizismus, man mußte mitzuteilen haben, „schön“ war ihm eher verdächtig, er wollte aufdecken, in der Musik dahinterschauen. Der Zuhörende erlebte sich in geistiger und emotionaler Wachheit, jederzeit bereit, musikalisch zu intervenieren. Die damalige Ausbildung war zugleich ein Training der gleichschwebenden Aufmerksamkeit, erst Jahre später in meiner gestalttherapeutischen Ausbildung wurde ich mir dieses Schatzes bewußt. Da in der klinischen Arbeit dieser Pionierjahre Musiktherapie eher argwöhnisch von psychologischen und medizinischen KollegInnen beobachtet wurde und Überschneidungen im therapeutischen Handwerk nicht gerne gesehen wurden, bildete die Musiktherapie unter SCHMÖLZ sehr schnell ihr großes Potential aus: der Anteil der sprachlichen Interventionen war gering im Verhältnis zu jenen musikalischer Art. Immer wieder ermahnte er uns, nicht soviel zu reden, dies sei die Aufgabe der ÄrztInnen und PsychologInnen. So entstand etwas wirklich Neues: die musikalische Intervention. Die Musiktherapie konkurrenzierte somit nicht andere Therapien, im Gegenteil, es sprach sich schnell herum, daß wir etwas können, was andere nicht können. Die Improvisation bekam im doppelten Sinne enorme Bedeutung. Handwerk oder Beziehung? Im Unterrichtsfach Improvisation ist die Gratwanderung zwischen einem Maximum an musikalischem Handwerk und solider therapeutischer Authentizität zu beschreiten. Einerseits soll die StudentIn alles (Bilder, Landschaften, Emotionen, Geschichten........) musikalisch umsetzen können, anderseits hört sie immer wieder, daß ja „nur“ die Beziehung heile. Diese Mischung wirkt sehr verunsichernd, trotzdem trennen wir die Bereiche Improvisation und Therapie. Jedes Fach hat eine andere inhaltliche Beschreibung und diese ist für jeden Kollegen einsehbar. Das erste feed back musiktherapeutisch-improvisatorischer Fähigkeiten und Fertigkeiten erhält die StudentIn ab dem 3. Semester während des ersten Praktikums „ Kinder- und Jugend Neuropsychiatrie“. Von diesem Zeitpunkt an ist das Fach einer großen Belastung ausgesetzt. Dann hört man schon mal: „Warum kann x oder y denn keinen kleinen Tanz improvisieren? „ oder „Wieso können sie nicht alle Kinderlieder?“ In Gesprächen innerhalb des Teams wird dann deutlich, wie ein Ausbildungsteam alles aus dem Komplex „musikalische Grundlagen“ an das Fach Improvisation delegieren möchte. StudentInnen mit vorangegangener professioneller Instrumentalausbildung müssen sich auf eine erneute innerliche Auseinandersetzung mit dem Instrument einlassen. Und dies auf einem „tieferen“ Niveau. Viele dieser StudentInnen hatten durch den sehr früh begonnenen Instrumentalunterricht nie einen spielerischen Zugang zum Instrument. Nun kommen sie mit einem Diplom zu uns und sollen mit zwei Fingern ein Gespräch auf dem Klavier führen. Diese StudentInnen haben einen langen mühsamen Weg vor sich. Aus meiner Erfahrung weiß ich, daß die Arbeit mit ihnen sehr schwierig und anspruchsvoll ist. Das Anforderungsprofil improvisatorischer Fertigkeiten Die Improvisation als wesentliche Säule zukünftiger professioneller Identität Der Anspruch an das Aushängeschild Improvisation ist sehr groß, nicht nur im Unterricht, sondern auch im KollegInnenkreis innerhalb und außerhalb der Ausbildungsinstitution und in den Medien. Es sind gerade die Improvisationen, die dem Außenstehenden Einblicke in die Musiktherapie gewähren, sei es, daß eine Ausbildung diese zur „Information“ herzeigt oder MusiktherapeutInnen ihren Arbeitsstil für Kongresse dokumentieren wollen. Der ORF wollte im Sommer 98 einen Beitrag über Musiktherapie in Wien fertigstellen, er scheiterte daran, daß es uns innerhalb von 3 Wochen nicht gelang, eine Drehgenehmigung in einer Klinik zu bekommen. Somit war der Beitrag „gestorben“. Zusammenfassend möchte ich nochmals die Grundannahmen meines persönlichen Verständnisses von musiktherapeutischer Improvisation skizzieren.
Unter Berücksichtigung dieser genannten Inhalte bin ich der Meinung, daß die Lehrende des Faches Improvisation in ihrer Primäridentität nicht PsychotherapeutIn sein muß. Der konkurrenzfreie Dialog mit den anderen AusbilderInnen ist notwendig. Zur Frage der Technik Im Gegensatz zur Musiklehre des 19./20. Jh. haben Techniken innerhalb der psychotherapeutischen Lehre keinen nennenswerten Stellenwert. “Dasjenige, was gelernt werden kann und muß“, so sprach noch RIEMANN über die Technik. (S.941). In der Musiklehre wird das Handwerkmäßige der Kunst betont. In der Psychotherapie hingegen scheint eine Vermischung von Technik einerseits und dem Erspüren der seelischen Befindlichkeit des Auszubildenden anderseits zu dem Eindruck zu führen, daß man eh nichts können müsse, sondern nur spüren solle. Psychische Kategorien wie Empathie, stabile Persönlichkeit und die Reduzierung „blinder Flecken“ scheinen das Handwerk des Therapeuten zu sein. In der Musik hingegen ist der Umgang mit Technik ein anderer: wir wissen von einer Kompositionstechnik, einer Technik der Ausführung, einer Schlagtechnik des Dirigierens, aber auch von einer Technik der linken oder rechten Hand des Violinisten oder Pianisten; es gibt tradierte Übungen, die Generationen von Musikern mit mehr oder weniger großem Erfolg absolviert haben. Könnte das auch bei uns so sein? Wie geht die Musiktherapie mit der Frage der Technik um? Gibt es eine Technik, wie sieht sie aus und wo wird sie geübt? Welchen Technikbegriff können wir uns aneignen? Exkurs: Psychotherapeutische Techniken Für die Musiktherapie erschließt sich somit folgendes Denkmodell: Bekennen sich alle MusiktherapeutInnen zu einer einheitlichen Grundorientierung, wie z.B. zu einer tiefenpsychologischen, humanistischen, behaviorialen, systemischen oder aber alle einigen sich auf ein gemeinsames Bekenntnis zu einer integrativen Psychotherapie (s. SPONSEL 1995), zur Integrativen Therapie (PETZOLD 1993) oder aber zu einem Eklektizismus (LAZARUS 1991), so wäre die erste Ebene erfüllt und Musiktherapie wäre auf der nächsten Ebene als psychotherapeutisches Verfahren anzutreffen. Dort wäre sie in Gemeinschaft mit etablierten Verfahren wie der Psychoanalyse, der Gestalttherapie, dem Psychodrama, etc. Es folgt die Ebene der Methode. Hier werden z.B. die Integrative Musiktherapie, die gestalttherapeutische Musiktherapie, die analytische Musiktherapie, die morphologische Musiktherapie usw. eine Methode des Verfahrens Musiktherapie. Auf der nächsten Ebene treffen wir auf die Technik. Wir wissen aus der Psychotherapie, daß Techniken methodenübergreifend eingesetzt werden können und diese erlernbar sind und somit in den Bereich der Lehre fallen. Ein bekanntes Beispiel sind zwei Techniken der Gestalttherapie, die Einzug in andere psychotherapeutische Verfahren gefunden haben: die „Hot-Seat“-Technik und die „Empty-Chair“ -Technik. Auch wenn beide Techniken von anderen Methoden eingesetzt werden, macht dieser Umstand aus dem jeweiligen Verfahren noch lange nicht eine Gestalttherapie (FITZTHUM 1997, S. 213). Vice versa: wenn ich innerhalb einer gestalttherapeutischen Sitzung mit der PatientIn einen musikalischen Dialog improvisiere, ist das noch lange nicht Musiktherapie, ich benutze lediglich eine Improvisationstechnik der Musiktherapie. Wie man in der psychotherapeutischen Literatur oder bei diversen Seminarankündigungen liest, scheint auch hier keine einheitliche Terminologie zu herrschen. Musiktherapeutische Techniken Das musikalische Spiegeln ist eine Technik, welche dem Zuhörer an ein Frage-Antwort-Spiel erinnern mag. Die für die TherapeutIn anspruchsvolle Aufgabe besteht darin, nicht das Spiel der PatientIn zu imitieren, keine Antwort zu geben und nicht die Musik oder das Gegenüber zu interpretieren, sondern das Wesentliche musikalisch zurückzugeben. Eine solche „Beschränkung“ verlangt Übung und Konzentration . Zu schnell „beantworten“ wir sonst eine musikalische Phrase und die Musik verselbständigt sich. Wir orientieren uns mit dieser Technik also einzig an der Musik des Gegenübers und was wir in diesem Spiel hören. All diese musiktherapeutischen Techniken verlangen auch von der erfahrenen MusiktherapeutIn eine große Disziplin. Abgesehen davon, daß diese Techniken immer wieder gezielt eingesetzt werden sollten - denn hier sollten wir uns nicht von anderen PsychotherapeutInnen unterscheiden - birgt das Improvisieren an sich eine große Gefahr in sich: es macht Spaß und die Musik verselbständigt sich. Noch mit der festen Absicht begonnen, die PatientIn musikalisch zu spiegeln, findet man plötzlich Gefallen am eigenen Spiel und aus dem Spiegeln wird eine „schöne“ Musik. Improvisationstechniken Improvisationstechniken sind somit Techniken, die das musikalisch-therapeutische Handwerk für die Realisierung psychotherapeutischer Techniken bieten, verbunden mit stimmlich, körperlich oder instrumentalen Improvisationen, zielorientiert und wiederholt angewendet werden können, erlernbar sind und in einem inneren Zusammenhang mit dem (zukünftigen) Verfahren Musiktherapie stehen. Obwohl Techniken vom jeweiligen Hintergrund losgelöst von jedem angewendet werden können, sind Einflußnahmen nachvollziehbar. So steht z.B. das instrumentale Partnerspiel (SCHMÖLZ 1983) in Korrespondenz mit einem Menschenbild, welches besagt, daß der Mensch erst durch die Wahrnehmung des Gegenübers sein Ich entwickelt. Oft beruft man sich in diesem Zusammenhang auf MARTIN BUBER, vor allem die Therapieverfahren humanistischer Prägung. Vor diesem Hintergrund wird aus dem instrumentalen Partnerspiel (formal) ein „musikalischer Dialog“ (inhaltlich). Auch die „Einstimmung“ (SCHMÖLZ 1983) wird, obwohl Technik, vor einem inhaltlichen Hintergrund angewendet: in Abgrenzung zu einem Gesundheitswesen, in dem der Behandelnde aus mehreren Gründen gezwungen ist, die Menschen möglichst schnell abzufertigen. Die jeweilige musikalische Einstimmung soll der MusiktherapeutIn helfen, sich auf die zu erwartende PatientIn oder Gruppe einzustellen und sich für sie bereit zu machen. Selbstverständlich zeugen alle musikalisch supportativen Maßnahmen von einer humanistischen Wurzel, die besagt, daß Krankheit (auch) aus einem Defizit an Zuwendung und Stütze entsteht und der Heilungsprozeß ein nährendes Klima verlangt . Natürlich provoziert die MusiktherapeutIn nicht ihre PatientInnen (musikalisch), weil sie gerne quält, sondern weil ihr Menschenbild sagt, daß Aggression nicht etwas Krankes ist, sondern Teil einer Überlebensstrategie, und viele Menschen in ihrer Fähigkeit, Wut zu spüren und auszudrücken, unterstützt werden müssen. Hier soll deutlich werden, daß die MusiktherapeutIn keine Improvisationstechnik losgelöst von ihrem geistigen und theoretischen Hintergrund begreifen sollte. Dies mag im Gegensatz zu Techniken stehen, die in einem nicht-musiktherapeutischen Kontext losgelöst von ihrem „Überbau“ genutzt werden können. Um nochmals eine Verbindung von psychotherapeutischen Grundorientierungen und musiktherapeutischer Improvisationstechnik herzustellen, lassen sich bei den drei wichtigsten Improvisationstechniken der Musiktherapie folgende Bezüge herstellen: die freie Improvisation entspricht der freien Assoziation der Analyse, der musikalische Dialog entspringt einem humanistischen Denkansatz und die „geregelte“ oder strukturierte Improvisation entspringt einem behaviorialen Denkansatz. Diese drei Improvisationstechniken bilden für mich das Grundhandwerk musiktherapeutischer Interaktionen In der Wiener Ausbildung war es von Beginn an selbstverständlich, daß mit musikalischen Mitteln in psychische Geschehnisse eingegriffen wird und die genannten Improvisationstechniken als Entsprechungen psychischer Prozesse betrachtet werden können. Schon SCHMÖLZ schreibt über diese Techniken (nennt sie 1988 noch „Spielarten“, einige ähneln den „Spielformen“ von HEGI, 1986): „sie entsprechen eigentlich lebensnahen Geschehnissen und werden von denjenigen psychischen Fähigkeiten ausgelöst und getragen, welche abwechselnd und ineinandergreifend auch für die Art einer zwischenmenschlichen Beziehung bestimmend sein können: Zuhören-Können, Aufnehmen, Einfühlsamkeit, Verarbeiten, Verstehen, aber auch Besinnen, Abwägen, Abgrenzen, Zurücknehmen, Abwehren, Entgegnen und schließlich - das oft ängstlich gemiedene und daher ungeübte, aber lebensnotwendige, bewußte Sich-auseinandersetzen-Wollen.“ (SCHMÖLZ, ebenda) SCHMÖLZ lehrte den StudentInnen, nie unvorbereitet in die (Gruppen-) Therapie zu gehen und so gewann im Laufe seiner Arbeitsjahre die musikalische Einstimmung immer mehr an Profil. Letztendlich wurde sie ein Beitrag zur Psychohygiene der MusiktherapeutIn. Bevor wir damals im Rahmen des psychosomatischen Praktikums an der Wiener Universitätsklinik mit der Gruppenarbeit begannen, hielt er uns an, 20 Minuten vorher im Raum miteinander zu improvisieren. Frei und aus der Leere heraus, gemeinsam, aber auch paarweise oder einzeln, je nachdem, in welchem Setting anschließend gearbeitet wurde. So lernten wir, uns „einzustimmen“ und uns frei zu machen für die bevorstehende Situation und den zu erwartenden neuen Begegnungen. Diese Tradition wurde von vielen seiner SchülerInnen übernommen. Heute erschwert die Realität eines Arbeitsplatzes innerhalb einer Institution die Realisierung einer solchen musikalischen Meditation , die ebenso in die Kategorie musikalischer Monolog fällt. Auch der musikalische Dialog im ursprünglichen Sinne ist frei, ohne jede Direktive. Wie SCHMÖLZ (1991) befürworten wir jede nondirektive Haltung der TherapeutIn, da diese beim Klienten ein „Auf-sich-selbst-Zurückgeworfen-Sein“ bzw. „Mit-sich-selbst-Konfrontiert-Werden“ fördert (ebenda). Dieser von Entscheidungen und Handlungen ausgesparte Freiraum wird oft als spannungsgeladenes Vakuum empfunden. Der unstrukturierte Raum darf nicht durch zu viele verbale Strukturierungsmaßnahmen seitens der TherapeutIn eingeengt werden. Zwei Menschen teilen sich diesen „leeren Raum“. Der Improvisation voran geht ein Gewahrwerden des Gegenübers. Wer ist das, kenne ich diesen Menschen, wie wirkt er? Wer spielt den ersten Ton? Hoffentlich übertöne ich sie nicht, hoffentlich übertönt sie mich nicht! Wie beende ich diese Begegnung? Hoffentlich spürt sie meine Aufregung nicht! Die Improvisation schafft Raum für diese Fragen, sie ziehen im Schneckentempo vorbei, die Zeit dehnt sich aus. Alte, bekannte Verhaltensmuster tauchen im Hier und Jetzt auf. In der verbalen Aufarbeitung bearbeiten wir vorrangig die auftauchenden Fragen, die Ängste und die Wünsche, nicht die Musik, dies ist für mich ein wesentliches Merkmal psychotherapeutisch orientierter Musiktherapie. Zusammenfassend möchte ich eine Liste der wichtigsten Improvisationstechniken wiedergeben.
In meiner Auseinandersetzung mit dem Thema „Technik“ habe ich nicht Bezug genommen auf die psychologiebezogene Musiktheorie und ihren Symbol-Begriff, die musikalischen Symbole in der Musikwissenschaft und auf die sprachliche und musikalische Semiotik (s. RUSSINOVA 1997). Wie schon erwähnt, ist auch von hier beginnend ein Denkansatz möglich und eine Annäherung an die musiktherapeutische Improvisation, was in Ansätzen bereits geschehen ist (RUSSINOVA, ebenda). Gerade als AusbilderInnen an sog. Musikhochschulen ignorieren wir leider zu oft die unglaublichen Ressourcen, die in dem Zusammenwirken von MusikerInnen, TherapeutInnen und MusikwissenschaftlerInnen innerhalb einer Institution liegen könnten, zumal das Fach „Improvisationsunterricht“ in aller Kompetenzbereich fällt. In diesem interdisziplinären Sinne muß auch die Frage erlaubt sein, was andere psychotherapeutische Verfahren aus unserem Umgang mit (Improvisations-)Technik innerhalb der Musik und der Musiktherapie lernen können. Selbst bei dem Versuch, von einem psychotherapeutischen Modell auszugehen, komme ich zu dem Schluß, daß in der Musiktherapie eine Kultur im Umgang mit Techniken erforderlich ist. Ähnlich den künstlerischen Ausbildungen gilt auch bei uns: Technik und Handwerk sind untrennbar miteinander verbunden, Technik verlangt Übung und beansprucht Zeit und benötigt somit einen Rahmen innerhalb der Ausbildung, damit sie gelehrt und geübt werden kann. Literatur DECKER-VOIGT, H.H./KNILL,P.J./WEYMANN E. (1996). Lexikon Musiktherapie. Göttingen: Hogrefe FEUSER, G. (1995): Behinderte Kinder und Jugendliche zwischen Integration und Aussonderung. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. FITZTHUM, ELENA (1995): Musiktherapie und Gestalttherapie II, in: GOLLNER, CH.(ed.): Internationale Psychotherapietagung 1995. Wien: Edition Praesens. FITZTHUM, ELENA (1997): Einzel-Lehrmusiktherapie, in: Fitzthum, E..(ed.): Wiener Beiträge zur Musiktherapie. Wien: Edition Praesens. HEGI, FRITZ (1986): Improvisation und Musiktherapie. Paderborn: Junfermann LAZARUS, A.A. (1991): Zur Notwendigkeit der eklektizistischen Technik, in: ZEIG, J.K. (ed.) Psychotherapie. Entwicklungslinien und Geschichte. Tübingen: dgvt- Verlag. PETZOLD, H. (1993): Integrative Therapie. Bd. 3. Paderborn: Junfermann. RIEMANN, H. (1967: Musik Lexikon - Sachteil. Mainz: Schott`s Söhne. RUUD,E./MAHNS W. (1992): Meta-Musiktherapie. Stuttgart: Fischer RUSSINOVA, S. (1997): Interdisziplinärer Beitrag zum Wesen der Symbole in der Musiktherapie. Unveröffentlichte Diplomarbeit. Wien, Universität für Musik und Darstellende Kunst SCHMÖLZ, A. (1988): Entfremdung - Auseinandersetzung - Dialog, in: Decker-Voigt,H.H. (ed.):Musik und Kommunikation.Bd.2. Lilienthal/Bremen: Eres Edition, S. 211-225. SCHMÖLZ, A. in: STROBEL W./HUPPMANN G. (1991): Musiktherapie. Göttingen: Hogrefe, S.72 SCHMÖLZ, A. (1991): Selbsterfahrung im Rahmen der Musiktherapie, in: PIERINGER, W./EGGER J.(Hrsg.): Psychotherapie im Wandel. Wien: WUV-Universitätsverlag. SMEIJSTERS, H. (1994). Musiktherapie als Psychotherapie. Stuttgart: Fischer SPONSEL, R. (1995): Handbuch Integrativer Psychologischer Psychotherapie. Erlangen: IEC-Verlag Elena Fitzthum, Grünangergasse 12/21, A-1010 Wien |