Carl Bergstrøm-Nielsen, Eckhard Weymann
Einleitung









































































Fitzthum:
Einerseits soll die StudentIn alles (Bilder, Landschaften, Emotionen, Geschichten........) musikalisch umsetzen können, anderseits hört sie immer wieder, daß ja „nur" die Beziehung heile.


Metzner:
Improvisation instruction... must be tailored to the respective music therapeutic model on which training is based. This applies...also to the underlying definition of music. In slightly exaggerated terms, instruction in improvisation that is based upon a psychoanalytic concept cannot be limited to rhythm exercises or the improvisation of a blues theme. Rather, the trainee must learn to deal with emerging material...Accepting the repulsive, the broken, the never-ending, or the extreme is a part of it.


Keemss+Buchhaupt:
Die...schwerpunktmäßige Trennung in Trainingsverfahren der Improvisation unter musikalischem Aspekt und Trainingsverfahren therapeutischer Improvisation setzten durchaus das Wissen voneinander und die Kenntnis der vermittelten Inhalte voraus. Dies ermöglicht im Unterricht der einzelnen Schwerpunkte die Konzentration auf einen Hauptaspekt, verweist andererseits sowohl die Musik auf ihre therapeutische Funktionalisierungsmöglichkeit im Beziehungsgeschehen als auch die Therapie auf die phänomenale Tiefendimension der Musik.




Vieth-Fleischhauer:
Die „Kunst der Improvisation" mit therapeutischem Know How zu verknüpfen, wie es die Praxis erfordert, erscheint mir wesentlich einfacher, wenn die angehenden Musiktherapeuten diese beiden Eckpfeiler ihrer Arbeit während ihrer Ausbildung nicht als voneinander getrennte Gebiete, sondern eng miteinander verbunden erfahren.

Deuter:
Problematische Verkehrungen in der Lebensmethode (im Vermeiden, Gleichsetzen oder Aussparen der jeweils entgegensetzten Tendenzen) haben eine Entsprechung in der Art und Weise, in der der Patient das musikalische Material verwendet.
Therapeutische Bemühung kann (in dieser Auffassung der Begriffe) als der Versuch angesehen werden, dort Polarität herzustellen, wo Gegensätzlichkeit besteht.

Weymann:
My thesis is this: cultural practice, as unconscious and unknown it may be to the individual patient, serves as a hotbed for that which might be expressed within the refuge of therapy... we could ask ourselves what it means for music therapy...when therapeutic playing practice is not covered any more by cultural forms? Do we then have to expect a gradual shifting of emphasis of the methodology of music therapy as well - for instance towards a more intensified application of receptive procedures?

Stige:
Picasso's art is not a unique example, and could not be understood through psychological and diagnostic concepts. The diverse art of the 20th century has made it extremely clear that art might be related to many and very different sets of values. Wholeness and completion could hardly be said to be universal or general values, many works of arts cultivate fragmentation, they are open-ended.

Bergstrøm-Nielsen:There is an important patchwork aspect to music just like to language which is always in the process of borrowing elements and processing them and passing them on again. ...
And music aesthetics and collage works of composers like Charles Ives, John Cage, Karlheinz Stockhausen and others take this into account...
Taking in the pluralistic aspect of experimental music aesthetics, I find it yields a credible solution to the problem of relativity.

Tüpker:
Es ließe sich von den Erfahrungen der Musiktherapie und der Improvisation als direkter musikalischer Kommunikation ausgehend ein Konzept aufstellen, welches Musik als ein Mittel zur Selbstkultivierung und zur Kultivierung unserer Beziehungen versteht.

Grootaers:
Alle SupervisandInnen berichten über unterschiedliche Probleme bei der Interpretation der musikalischen Produktionen in der Musiktherapie. Die gemeinsame Frage in all diesen Problemen kann man folgendermaßen formulieren: „Wie kann ich über-setzen von den musikalischen Ereignissen zu ihrer sprachlichen Erfassung im Hinblick auf ein Ziel der Behandlung."
In den letzten Jahrzehnten hat die musikalische Improvisation als Verfahren in der Musiktherapie in methodischer wie theoretischer Hinsicht einen zentralen Stellenwert erhalten. In unterschiedlichen Behandlungskonzepten wird dem Improvisationsspiel (als Zusammenspiel von Therapeut - Patient oder einer Gruppe, als Spiel des Patienten in Gegenwart des Therapeuten, als Spiel des Therapeuten für Patienten) große Bedeutung beigemessen, wenn auch mit unterschiedlichen Begründungen und in unterschiedlichen (Be-)Handlungszusammenhängen. Die Wichtigkeit des Improvisierens in der Musiktherapie, insbesondere in ihren aktiven Verfahren, spiegelt sich auch in den Curricula musiktherapeutischer Studiengänge wider, in denen das Fach „Improvisation" überall ausdrücklich vertreten ist. Was sich jedoch im Einzelnen hinter dieser Bezeichnung verbirgt, welche Lernziele und theoretischen wie methodisch-didaktischen Konzeptionen jeweils verfolgt werden, welche psychologischen und praxeologischen Konzepte, welcher Kunst- und Musikbegriff und welche philosophischen wie ästhetischen Reflexionen den Hintergrund des Improvisationsunterrichts für Musiktherapeuten bilden, ist bislang in Fachkreisen noch wenig diskutiert worden.

Im September 1998 fand in Hamburg in den Räumen der Musikhochschule ein Symposium statt, das erstmals ausschließlich dem Thema „Improvisationsunterricht im Musiktherapiestudium" gewidmet war (Programmkomitee: CARL BERGSTRØM-NIELSEN, HANS-HELMUT DECKER-VOIGT, FRITZ HEGI, ECKHARD WEYMANN). Auf Einladung des Instituts für Musiktherapie der Hochschule für Musik und Theater und des Instituts für Musiktherapie und Morphologie, beide in Hamburg, trafen sich für drei Tage 45 Fachkolleginnen und -kollegen (Dozenten, Wissenschaftler, Studienleiter) aus elf europäischen Staaten zu einem ersten Gedankenaustausch zu diesem Thema. In Plenumsvorträgen und -diskussionen sowie in vertiefenden Arbeitsgruppen (Improvisieren als Lehr- und Lernstoff / Improvisationsunterricht und Selbsterfahrung / Improvisation als Kunst) wurden Konzepte und Erfahrungen zum Improvisationsunterricht im Musiktherapiestudium vorgestellt und weitergedacht. Die vorliegenden Artikel spiegeln den Stand der Diskussion. Sie sind überwiegend aus den für das Symposium konzipierten Vortragsmanuskripten hervorgegangen, ergänzt durch Gedanken, die sich aus den Gesprächen während der Tagung und danach ergaben.

Was leider in der Text-Version einer Tagung nicht angemessen zu vermitteln ist, ist ihre Lebendigkeit. Dazu trugen besonders auch die Improvisations-Konzerte bzw. Performances bei, die hier zumindest erwähnt werden sollen. Einen Auftakt spielte die GRUPPE TONFALL (BARBARA DEHM-GAUWERKY, JUTTA HOPPE, ALMUT KOCHAN, SUSANNE METZNER) unter der widersprüchlichen und mehrdeutigen Überschrift „den unterschied wieder=holen". Am zweiten Tag veranstaltete die Gruppe ILLUSTRIO (FRITZ HEGI, PIT GUTMANN, TOMI HIRT) einen „improvisierten Gesprächsvortrag + Konzert" mit dem Titel „Improvisation zwischen Kunst und Therapie. Fünf „Triagramme", die als Folien eingeblendet wurden, dienten dem Trio als Anlässe für sowohl sprachlich-begriffliche wie auch musikalisch-szenische Auseinandersetzungen und Umkreisungen. THOMAS KEEMSS gab ein anregendes Gesprächskonzert mit dem Titel: Zeit - Geist - Rhythmus.

In mehreren Beiträgen der vorliegenden Sammlung wird der spezifische hochschuldidaktische Kontext des Improvisationsunterrichts, seine curricularen Bezüge zu anderen Fächern und zum jeweils vermittelten Therapiekonzept reflektiert und seine methodischen Chancen und Schwierigkeiten herausgestellt. Insbesondere steht immer wieder die prekäre Beziehung zwischen musikalisch-künstlerischen und psychologischen Lerninhalten zur Debatte, die sich in diesem Unterricht treffen und überschneiden, zuweilen aber auch behindern (vgl. u.a. die Beiträge von WEYMANN, METZNER und FITZTHUM). Zwar sind die handwerklich-praktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit den Musikinstrumenten eine wichtige Seite des Spielen-Könnens. Ebenso wichtig für das Improvisieren sind aber auch die psychischen Voraussetzungen; womit der Bereich der Selbsterfahrung und Lehrtherapie berührt ist, der für die Studierenden in der Regel mit sehr individuellen und fundamentalen Lernerfahrungen verbunden ist.

Für WEYMANN bietet der Improvisationsunterricht neben der Förderung der spieltechnischen und kreativ-intuitiven Fähigkeiten die Chance, die für die therapeutische Arbeit so grundlegende Fähigkeit des Transfer, der Übersetzung und sprachlichen Reflexion seelischer Verhältnisse, wie sie sich im musikalischen Gestalten zeigen (=Vermittlungen), einzuüben (vgl. auch GROOTAERS). Zwei Übungen, die er im Unterricht verwendet, „beiläufig spielen" und „Melodie aus einem Ton", werden als Beispiele herangezogen. Mit diesen Übungen werden u.a. Fähigkeiten des Loslassens im Sinne der gleichschwebenden Aufmerksamkeit sowie der Konzentration auf eine Idee trainiert, was zugleich sowohl mit Spieltechnik als auch mit einer spezifisch auf die Spiel-Persönlichkeit gerichteten Selbsterfahrung zu tun hat. Ausserdem diskutiert er die Beziehungen zwischen der neueren Musikgeschichte und der Improvisationspraxis, wie sie in der Musiktherapie entstanden ist.

Etwas anders greift Susanne METZNER die gleiche Thematik auf: die Unterscheidung (und Verbindung) von künstlerisch-handwerklichen und psychologischen Lehrinhalten, wenn sie über die Wechselwirkungen von musiktherapeutischer Selbsterfahrung und improvisatorischer Spielpraxis schreibt. Die musikalische Spielpraxis ist beeinflusst und berührt von Wünschen, Befürchtungen und inneren Konflikten. Für einen angemessenen Umgang mit diesen Prozessen schlägt sie einige ethische Spielregeln vor, um die Trennung von Improvisationstraining und musiktherapeutischer Selbsterfahrung für die Studierenden zu gewährleisten. Während die Wichtigkeit der Selbsterfahrung seit langem bekannt und die psychologische Basis der Musiktherapie gut ausgearbeitet ist, tritt sie nun dafür ein, daß auch die Standards des Improvisationsunterrichts eingehender diskutiert werden sollten. Sie stellt einige Zielsetzungen ihres eigenen Improvisationsunterrichts exemplarisch dar.

Das Fach Therapeutische Improvisation wird auch von ELENA FITZTHUM als zentrale Schnittstelle im Musiktherapie-Studium angesehen, als Basis der zu entwickelnden professionellen Identität der Studierenden. Die musiktherapeutischen Techniken (hier speziell Improvisationstechniken), wie sie FITZTHUM reflektiert, sollen für die Lernenden zu einem Bindeglied werden zwischen musikalischem Handwerk und therapeutischer Beziehung. Einige der im Unterricht verwendeten und bewährten Improvisationsformen („Einstimmung" und „musikalischer Dialog") werden genauer dargestellt und diskutiert.

Womit wir die Grundsatzfrage nach dem Musikbegriff der Musiktherapie schon längst und mehrfach umkreist haben. Als was sind Improvisationen in der Musiktherapie zu verstehen? An dieser Frage scheiden sich die Geister, schon innerhalb „der" Musiktherapie. Weitaus größere Unterschiede nimmt ROSEMARIE TÜPKER allerdings zwischen musiktherapeutischen Positionen und Auffassungen der akademischen Musikwissenschaft wahr (zumindest bezogen auf den deutschen Sprachraum). Vor dem Hintergrund dieser Differenz scheint es möglich zu sein, einen eigenen Musikbegriff der Musiktherapie über die internen Streitpunkte hinweg zu erkennen (dessen Ausarbeitung freilich noch aussteht), „der auch andere Bereiche des Musiklebens befruchten und der Musikwissenschaft wie auch der Musikpädagogik Impulse geben könnte..." (S.#) (Vgl. hierzu die Ausführungen von STIGE in diesem Band!)

In der musiktherapeutischen Fachdiskussion werden zuweilen zugunsten eines dezidierten Standpunktes (etwa eines psychologischen oder künstlerisch-ästhetischen) Einseitigkeiten in Kauf genommen. MARTIN DEUTER zeigt eine Möglichkeit der Vermittlung solcher Standpunkte in einem Modell von polaren Wirkungs-Tendenzen im psych-ästhetischen „Material" der Improvisation. Es ergeben sich differenzierte Möglichkeiten der Benennung und Einschätzung, die sowohl im didaktischen Kontext, als auch in der musiktherapeutischen Praxis von Nutzen sein können.

Das Spezifische des Mediums Musik, ihre Möglichkeiten und Determinanten und die Suche nach geeigneten Formen der persönliche Auseinandersetzung mit Musik seitens der StudentInnen wird weiter in den Beiträge von BERGSTRØM-NIELSEN und KEEMSS / BUCHHAUPT diskutiert.

Angesichts der idiomatischen Vielfalt, wie sie das gegenwärtige Musikleben prägt, könnte die Studierenden der Mut verlassen, auch nur annähernd eine angemessene musikalische Ausrüstung im Studium zu erlangen. BERGSTRØM-NIELSEN schlägt als Ausweg aus diesem Dilemma eine pluralistische „metastilistische Sichtweise (...) auf der Basis experimenteller Musikästhetik" vor. Insbesondere macht er sich hierfür einen an der Neuen Musik geschulten erweiterten „Parameter"-Begriff zunutze. Neben der Darstellung seiner „Parameter-Exercises" im Improvisationstraining führt er ein klinisches Beispiel an.

KEEMSS und BUCHHAUPT stellen in ihrem Beitrag die ausgefeilten curricularen Konzepte dar, mit denen Improvisation an der Fachhochschule Heidelberg gelehrt wird: zwar aufgeteilt in die instrumental-orientierte Musizierpraxis und die Praxis der Musiktherapie, jedoch vielfältig aufeinander bezogen in Fächern wie Phänomenologie und Soziologie der Musik, Hörpraktikum und Analyse.

STIGE zeigt die Bedeutung ästhetischer Theorien für die Musiktherapie. Ausgehend von KEN AIGEN's Formulierung, daß Musik ein Medium und nicht bloß ein Mittel ist, untersucht er das Problem der Übertragung klassischer ästhetischer Werte wie „Ganzheitlichkeit" und „gute Gestalt" auf die Ausdrucksformen der Gegenwart und speziell auf die Musik aus der Musiktherapie, die immer auch mit Fragmentierung und Hässlichkeit zu tun haben. Philosophische Konzepte wie die des „polyphonen Dialogs" von BHAKHTIN und der „ästhetischen Praxis" des späten WITTGENSTEIN könnten hier hilfreich sein.

FRANK G. GROOTAERS, fokussiert seinen Beitrag auf die explizit psychologisch gefasste Frage nach den Bedeutungen der improvisierten Musik, nach der Interpretation. Er schlägt eine bestimmte hermeneutische Frage-Technik zur verbalen Interpretation und „Übersetzung" von Improvisationen vor, wie sie sowohl in der Arbeit mit Studenten, als auch mit Patienten angewendet werden kann. Die dabei verfolgten verschiedenen Blickrichtungen (im Sinne einer Perspektiven-Variation) demonstriert er an einer Fallvignette aus der Musiktherapie.

Mit der Frage, was in Improvisationen eigentlich zum Ausdruck kommt und was das Improvisieren in therapeutischen Prozessen bewirkt, beschäftigt sich auch der Beitrag von HANNAH VIETH-FLEISCHHAUER. Anhand eines Beispiels aus einem Ausbildungsseminar wird gezeigt, in welchen Schritten und Dimensionen eines hermeneutischen Interpretationsvorgangs sich allmählich im Nachgespräch der Sinn des Spiels erschließt. Es wird auf die Vielfalt der möglichen Bezüge hingewiesen und ihre methodische Handhabung erläutert.


Wir verbinden mit der Veröffentlichung dieser Aufsätze den Wunsch, die Diskussion der Expertenrunde zu verbreitern und weiteren Interessierten die Möglichkeiten zu geben, sich daran zu beteiligen. Das kann praktisch dadurch geschehen, daß man zu den Autoren persönlich, brieflich oder via E-Mail Kontakt aufnimmt (bitte im Formular hier abschicken, wir vermitteln dann weiter. Dies wegen Spamprobleme auf dem Internet).
Einige Worte des Dankes zum Schluß. Die Andreas-Tobias-Kind-Stiftung aus Hamburg ermöglichte mit einer großzügigen Spende die redaktionellen Arbeiten zur Erstellung einer Dokumentation des Symposiums, die dieser Publikation voraus ging. Die Universität Aalborg (Dänemark) unterstützte die vorliegende Veröffentlichung mit einem nennenswerten Zuschuß zu den Herstellungskosten. Hierfür möchten wir beiden Institutionen herzlich danken! Sehr dankbar sind wir auch dem Vorstand des BVM (besonders SUSANNE METZNER) und der Redaktion der „Einblicke" (HANNA SCHIRMER), dass sie den Mut hatten, das verlegerische Risiko für diese doch recht spezialisierte - und obendrein auch noch zweisprachige - Aufsatzsammlung zu übernehmen!


Humlebæk / Hamburg im Juni 2001
Carl Bergstrøm-Nielsen, Eckhard Weymann